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11. Oktober 2019

Die Humusrevolution – ein Arbeitsstand

Seit ein paar Tagen ist mein Feature „Die Humusrevolution – ein Arbeitsstand“ online.

Ich konnte es dank eines Stipendiums der Kulturstiftung des Freistaats Sachsen produzieren. Zu so einem Stipendium gehört es, am Ende einen Sachbericht zu schreiben, in dem die Arbeit beschrieben wird.  Diesen Sachbericht habe ich hier dokumentiert. Also, wen es interessiert, was ich da so gemacht hab, liest weiter. Alle anderen hören jetzt gleich das Feature.

Die Humusrevolution – ein Arbeitsstand im Societaetstheater

Sachbericht über das Stipendium der KdFS für das Projekt „DIE HUMUSREVOLUTION“ 6.10.2019 / Frieder Zimmermann

Von Juni bis August 2019 habe ich dankenswerterweise ein Stipendium der Kulturstiftung des Freistaates Sachsen erhalten. Ich hatte mich 2018 beworben, um ein Thema, welches mich seit Jahren beschäftigt, weitergehend zu bearbeiten. Bereits im Jahr 2017 wollte ich ein großes künstlerisches Projekt zum Thema HUMUSREVOLUTION starten, habe damals aber keine Förderung bekommen. Ich denke, dass diese Entscheidung letztlich gut war, weil das Projekt zum damaligen Zeitpunkt einfach noch nicht ausgereift war.

Ich habe die Zeit des Stipendiums genutzt, um mit finanzieller Unterstützung der KdFS weiter an dem Thema zu recherchieren, zu forschen und ein Material zu erarbeiten, was mir hilft, ein grosses Projekt im nächsten Jahr in Angriff zu nehmen. Die Form dieses Materials sollte ein kurzes Feature bzw. Hörspiel sein, weil es mir ermöglicht, das Thema hörbar umzusetzen, mit Musik und Text zu arbeiten und ein sinnliches Erleben zu schaffen um potentielle Mitstreiter, Theater, Kulturschaffende und natürlich Geldgeber zu finden.

Begonnen habe ich bereits im Mai. Im Zug eines Gastspiels mit der Cie. Freaks und Fremde in der Schweiz habe ich Stefan Schwarzer, den einen der beiden Autoren der HUMUSREVOLUTION in der Gemeinschaft Schloss Tempelhof besucht. Mein Ziel in Tempelhof war ein Interview mit Stefan Schwarzer und jemanden aus dem Landwirtschaftsteam zu führen. Tempelhof liegt in der Nähe von Schwäbisch Hall und ist eine ökologische Lebensgemeinschaft mit ca.150 Bewohnern unterschiedlichsten Alters. Es gibt eine eigene Schule, das erste Earth Ship Deutschlands (ein mustergültiges, ökologisches Haus aus Recyclingmaterial) und eine solidarische Landwirtschaft, die sowohl die 150 Bewohner Tempelhofs als auch Bioläden, Restaurants und mehr als 100 Verbraucherinnen aus der Umgebung ernährt. Tempelhof schafft es sich zu 80% selbst zu versorgen. Insgesamt habe ich über 2 Stunden Material mit Stefan Schwarzer aufgenommen, zusätzlich führte ich ein Interview mit Maya Lukoff, die die dortige solidarische Landwirtschaft leitet. Ich habe viel erfahren über Humusaufbau im Freiland und in Gewächshäusern, in denen die Pflanzen in 20cm tiefen Mulchschichten wachsen, über Waldgärten und mehrjährige Kulturen. Ausserdem hab ich von Pflanzen gekostet, die ich bis dato gar nicht kannte. Entscheidend in Tempelhof sind aber nicht nur die landwirtschaftlichen Aspekte, sondern auch die des Zusammenlebens. Dort sind u.a. Spielregeln entwickelt worden, die m.E. eine neue Stufe des menschlichen Miteinanders ermöglichen würden. In einem späteren Interview meiner Recherche hab ich erfahren, das man genau das als humoses Leben bezeichnen könnte. Kurz, in Tempelhof ist die Humusrevolution auf verschiedensten Ebenen bereits im Gange.

Im Juni 2019 erschien beim Westend Verlag das Buch „Rettet den Boden“ von Florian Schwinn. Ich habe das Buch im Sommer gelesen und dort einige sehr gute Ansätze gefunden, wie das Problem der Humuszerstörung in klar verständliche einprägsame Worte gefasst werden kann. Das Buch „Die HUMUSREVOLUTION“ handelt ja eher von den Lösungen. Ich habe den Westend- Verlag kontaktiert und mir eine Genehmigung geholt, einige Textpassagen aus dem Prolog und dem Epilog zu bearbeiten und verwenden zu dürfen. Netterweise war das überhaupt kein Problem und ich stehe seitdem in einem überaus freundlichen Kontakt zum Verlag.

Die nächste Recherche Reise zum Thema führte mich nach Klein Jasedow in den Lasaaner Winkel. Dort lebt Johannes Heimrath, u.a. Gründer einer ökologischen Lebensgemeinschaft, Gong-schmied, Komponist, Philosoph und Herausgeber der Zeitschrift OYA, die ich seit Jahren abonniert habe und die mich 2017 erst auf die Idee mit der Humusrevolution brachte. Mit ihm führte ich ebenfalls ein langes, spannendes Gespräch, das ich aufgenommen habe. Er konnte die Fragen nach den Parallelen zwischen dem Humus und der menschlichen Gesellschaft auf unnachahmliche Art beantworten, er hat mir das Thema des „humosen Lebens“ nah gebracht und war sehr motivierend, was das künstlerische Verarbeiten des Themas anbelangt. In Klein Jasedow gibt es wie auch in Tempelhof ein vorbildliches menschliches Zusammenleben. Viele Dinge sind dort möglich, die ich in weiten Teilen unserer Gesellschaft vermisse.

Klanghaus am See in Klein Jasedow

Unabhängig von meiner künstlerischen Arbeit, aber nah dran am Thema Humus habe ich gemeinsam mit meinem Freund André Spindler in diesem Jahr eine Initiative ins Leben gerufen. Unter der Frage „Wie wollen wir morgen leben ?“ sammeln wir Ideen für eine enkeltaugliche Zukunft unserer Gemeinde Kreischa, haben eine Zukunftskonferenz der Generationen veranstaltet und organisieren Runde Tische, in denen konkrete Projekte u.a. aus den Bereichen Ökologie, Mobilität, Wirtschaft diskutiert und umgesetzt werden. Im Gespräch mit Johannes Heimrath ging es natürlich auch darum und interessanter weise hat er diese Nachbarschaftsinitiative, wie es unsere ja letztlich ist, mit dem Humus zusammengebracht.

Dominik Schiefner und Anna-Lena Zühlke

Zurück aus Klein Jasedow habe ich in Quohren an einer Filmvertonung gearbeitet und Sprachaufnahmen mit 2 Schauspielern gemacht, mit Anna-Lena Zühlke und Dominik Schiefner, die ich sowohl als Sprecher als auch Menschen hoch schätze. Von der Dringlichkeit der Thematik überzeugt, haben mir beide Arbeitszeit geschenkt und wir haben das letzte Kapitel aus der HUMUSREVOLUTION aufgenommen. Dieses spielt im Jahre 2050, zu einem Zeitpunkt, an dem die Humusrevolution bereits stattgefunden hat. Diese Vision ist letztlich so positiv, dass sie uns Theaterleuten, die ständig mit Dystopie zu tun haben, in der Tat Probleme bereitet hat. Wir haben verschiedene Haltungen versucht, mit Streichungen und Textänderungen gearbeitet und letztlich eine Version aufgenommen, die mir als Grundlage diente, die Zukunftsvision hörbar umzusetzen.

Anna-Lena Zühlke und Dominik Schiefner

Im Mai 2019 bekam ich von meiner Compagnie „Freaks und Fremde“ das Angebot, einen Abend zum Thema „Humus“ im Rahmen des September-Freakstadt-Festivals im Societaetstheater zu gestalten. Ich habe mich entschieden, an diesem Abend ein Livehörspiel aufzuführen, mit live gespielter Musik, einem Erzählertext, der von zwei Schauspielern gesprochen wird und den Rest, also Interviews und die Zukunftsvision vorzuproduzieren.

Ich habe also das vorhandene (Interview-)Material gesichtet, geschnitten, habe ein Storyboard verfasst, Geräusche recherchiert, aufgenommen und produziert.

Aufgrund der begrenzten finanziellen Mittel habe ich mich entschieden, die Musik für das Feature nur im Duo umzusetzen. Seit 2 Jahren arbeite ich mit der Luftsäulen-Instrumentalistin Anna Katharina Schumann zusammen und bin sehr froh über unsere Spielfreude und Experimentierfähigkeit. Wir schaffen es, mit Blas- und Saiteninstrumenten (und bei mir mit elektronischer Behandlung) ein großes Spektrum an musikalischen Farben zu kreieren. Ich habe eine ungefähre Richtung vorgegeben und ähnlich wie in der Filmmusik haben wir mit dem Illustrieren von Emotionen gearbeitet, gemeinsam Klänge und Instrumente festgelegt und einfach gespielt.

Anna Katharina Schumann und Frieder Zimmermann bei musikalischen Proben

Zusammen mit den beiden Erzählern, meinen geschätzten Cie. Freaks und Fremde Kollegen Sabine Köhler und Heiki Ikkola haben wir dann im September leider sehr wenig Zeit zum Proben gefunden, diese aber intensiv und kreativ genutzt. Wir haben dabei einige Texte umgestellt und den wenig dramatischen Text aus der Zukunftsvision mit vielen Sprecherwechseln und einer kontrastreichen, Comic artigen Musik sinnlich, abwechslungsreich und interessant gestalten können.

Der Abend „Die Humusrevolution – ein Arbeitsstand“ am 19.9.2019 im Societaetstheater Dresden war gut besucht und ich habe sehr gute Rückmeldungen und Dank für die positive Zukunftsvision bekommen. Sehr wichtig für das Weiterführen des Projektes war, dass Moritz Lobeck, derzeit in Hellerau verantwortlich für Theater und Musik als Gast im Publikum war und mir spontan einen Termin zum Thema „Humus“ im Juni nächsten Jahres im Festspielhaus Hellerau angeboten hat.

Mein ursprünglicher Plan war eigentlich, die Performance am 19.9. aufzunehmen, noch etwas zu mischen und als Feature zu veröffentlichen, das hat allerdings nicht funktioniert. Live ist eben doch ganz anders. Schlussendlich habe ich in den letzten Septembertagen sowohl den Erzähler-Text mit Heiki Ikkola und Sabine Köhler als auch die Musik mit Anna Katharina Schumann im Studio aufgenommen und jetzt ist das Feature fertig. Es hat ein Länge von 36 Minuten, heisst „Die Humusrevolution – ein Arbeitsstand“ und ich würde mich sehr freuen, wenn interessierte Mitarbeiter der KdFS sowie der Beirat Zeit finden, es anzuhören, vielleicht auch als Motivation, selbst an der Humuswende mitzuwirken. Es ist hier zu finden.

Im dem Moment, in dem hier schreibe, bin ich auf dem Rückweg von der Konferenz „Gemeingut Boden“ in Alfter / Bonn, die sich u.a. mit Boden, Gemeinwohl, Ackerland und Allmende beschäftigt hat. Das Feature hatte am 5.10. um 21 Uhr Premiere, mit ca. 150 Zuhörern, darunter viele Experten und Fachleute zu den Themen, die im Hörstück verhandelt werden. Es war für mich sehr schön, die Reaktionen im Publikum zu sehen: das Lachen und Weinen. Das Medium Hörspiel ermöglicht die ganz eigenen Bilder vor dem inneren Auge, kein vorgefertigter Film kann das so leisten. Ich bin überzeugt, ich konnte helfen, ein wenig Hoffnung zu vermitteln, das es eben doch noch nicht zu spät ist um die Kurve zu kriegen, nämlich dann

wenn die Humusrevolution kommt.

Ein herzliches Danke an meine Mitstreiter & die Kulturstiftung Sachsen, dass ich die Möglichkeit dazu hatte!